Neurodermitis und Asthma

Im Visier: die „Typ-2-Connection“

Von Nadine Effert · 2020

Neurodermitis ist eine Hautkrankheit, die Wissenschaftlern immer noch Rätsel aufgibt – etwa im Fall der geheimnisvollen Verbindung zum Asthma. Im Fokus steht hierbei die sogenannte Typ-2-Entzündung. Was steckt dahinter? Und was bedeutet das heute bessere Verständnis zur Entstehung der chronischen Hautkrankheit für die vielen Patienten in Deutschland?

Arme mit Folgen der Neurodermitis.
Bei Erwachsenen zeigt sich die Neurodermitis häufig an den Streckseiten der Arme. Foto: iStock/ tylim

Kann ich heute normal zur Arbeit gehen? Kann ich in dieser Nacht dem Kratzdrang widerstehen? Kann ich morgen Mittag zum Sport? Oder wird mir ein Schub einen Strich durch die Rechnung machen? Für Menschen mit Neurodermitis, deren Alltag durch Unsicherheit geprägt ist, gehören solche Fragen zum Leben dazu. Ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene, sie alle kennen sie nur allzu gut: die sehr trockene, gerötete Haut mit entzündeten, teilweise stark juckenden Stellen, den sogenannten Ekzemen, die für Neurodermitis typisch ist. Von der auch als „atopische Dermatitis“ bezeichneten chronischen Hautkrankheit betroffen sind in Deutschland ungefähr 1,5 Millionen Menschen. Die meisten Patienten leiden unter leichten oder mittelschweren Formen und dabei nicht nur an den sichtbaren Symptomen, sondern auch jenen Beschwerden, die Außenstehende nicht sehen.

Vielseitige Belastung

Gemeint sind Schlafstörungen aufgrund des teils kaum auszuhaltenden Juckreizes, Empfindlichkeit für körperliche Berührungen oder die Angst, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Untersuchungen zeigen, dass fast die Hälfte der Jugendlichen von Fehltagen in der Schule und Konzentrationsschwierigkeiten berichtet. Auch bei Erwachsenen gibt es negative Auswirkungen auf Job, Privatleben und Freizeit. Ausgrenzung und Stigmatisierung – und folglich soziale Isolation – sind nicht selten, auch, weil Unwissende fälschlicher Weise annehmen, die Hautkrankheit sei ansteckend oder basiere auf fehlendender Hygiene. Die Psyche leidet unter der meist in Schüben auftretenden Hautkrankheit mit: Schätzungsweise 25 bis 40 Prozent der Betroffenen kämpfen mit psychosozialen Problemen wie Depressionen, bedingt etwa durch Stigmatisierung.

Überholte Bezeichnung

Auch wenn es den Anschein macht: Neurodermitis entsteht nicht auf der Haut, sondern durch Entzündungen unter der Haut. Wie kommt es dazu? Lange Zeit wurde angenommen, dass die oft sehr belastenden Hautsymptome auf eine Entzündung der Nerven zurückgehen. Daher kommt auch der Name Neurodermitis, was so viel wie Nervenentzündung bedeutet. Inzwischen weiß man jedoch, dass eine defekte Hautbarriere die Ursache für die Beschwerden darstellt. Daher sprechen Mediziner heute selten noch von einer Neurodermitis, sondern von einer „atopischen Dermatitis“ oder einem „atopischen Ekzem“, wobei unter Atopie eine erhöhte Neigung zu allergischen Reaktionen zu verstehen ist.

Immunsystem in Aufruhr

Verursacher ist das Immunsystem, das sich fälschlicherweise gegen den eigenen Körper richtet. Es reagiert schon bei kleinsten Reizen empfindlich, oft sogar auf harmlose Stoffe, und entwickelt eine Abwehrreaktion, die sich an der Hautoberfläche zeigt. Grund für die dauerhafte Alarmbereitschaft des Immunsystems ist in vielen Fällen eine Typ-2-Entzündung. Die Botenstoffe Interleukin-4 und Interleukin-13 gelten hierbei als zentrale Vermittler von Entzündungen und führen zu einer Störung der Barrierefunktion der Haut. Das Gute: Heute können – in schweren Fällen und sofern herkömmliche Maßnahmen nicht anschlagen – diese Botenstoffe mithilfe moderner Antikörpertherapien gezielt blockiert und Entzündungen gelindert werden.

Typ-2-Erkrankungen: Neurodermitis und Asthma

Eine Typ-2-Entzündung kann sich aber auch unter anderem als Asthma bronchiale und chronische Nasen- und Nasennebenhöhlenentzündung (Rhinosinusitis) mit Nasenpolypen, bei der es zum Beispiel zum Verlust des Geruchssinns kommen kann, manifestieren. Interessant: Beides sind Erkrankungen, die oftmals mit Neurodermitis einhergehen. Beispielsweise sind 35 Prozent der Patienten mit schwerem Asthma auch von einer Neurodermitis betroffen und bis zu 50 Prozent der Patienten mit einer Neurodermitis haben auch Asthma. Auch wenn die an der Typ-2-Entzündung beteiligten Signalkaskaden bei Forschern noch Fragen offenlassen, so macht die Tatsache, dass viele Menschen mehr als eine Ausprägung der Entzündung aufweisen, eine aufmerksame Diagnosestellung ebenso nötig wie eine adäquate Behandlung. Experten fordern daher eine intensivere interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Betreuung von Patienten mit einer Typ-2-Erkrankung wie der Neurodermitis.

COVID-19 und Neurodermitis

Die „Europäische Task Force Atopische Dermatitis“ gibt folgende Empfehlungen zur Neurodermitis-Therapie in Zeiten von Corona:
• Derzeit ist nicht klar, wie sich eine immunmodulatorische Neurodermitis-Behandlung auf den COVID-19-Verlauf auswirkt. Aktuell sollte eine wirksame Therapie fortgeführt werden, da sich eine Verschlechterung der Erkrankung negativ auf das Immunsystem auswirken kann.
• Bei Menschen, die an COVID-19 erkrankt sind, ist eine individuelle Nutzen-Risiken-Einschätzung ratsam. In Fällen, in denen eine Behandlungspause der immunmodulierenden Medikamente sinnvoll ist, raten die Expert*innen, die Behandlung mit örtlich wirksamen (topischen) Präparaten fortzusetzen, um Verschlechterungen vorzubeugen.
• Zur Vorbeugung einer Infektion mit SARS-CoV-2 verweist die Task Force auf die allgemeinen Hygieneregeln. Auch Menschen mit Neurodermitis sollten regelmäßig die Hände waschen und desinfizieren. Dazu können Betroffene auf nicht-reizende Seifenalternativen zurückgreifen und anschließend eine Basispflege auftragen.

Quelle:
Allergieinformationsdienst
Deutscher Neurodermitis Bund
Ärzteblatt "Dermatologen aktualisieren Leitlinie zu Neurodermitis"
Dt. Dermatologische Gesellschaft "Empfehlungen zur Behandlung der atopischen Dermatitis in Zeiten der COVID-19 Pandemie"

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