Dermatomykosen

Pilzerreger sind nie im Lockdown

Von Nadine Effert · 2021

Portrait: Prof. Dr. med. habil. Hans-Jürgen Tietz
Prof. Dr. med. habil. Hans-Jürgen Tietz

Prof. Dr. med. habil. Hans-Jürgen Tietz ist Gründer und Inhaber der mycoclinic – Institut für Pilzkrankheiten in Berlin. Der Experte erklärt, warum Pilzinfektionen kein rein kosmetisches Problem sind, was Nagelpilz diagnostisch mit dem Coronoavirus zu tun hat und worauf es bei der Behandlung ankommt.

Es heißt, Hautpilze seien der Spiegel der Gesellschaft. Warum?

Weil Pilzerreger sich optimal an das menschliche Leben anpassen. Sie hinterlassen keine Immunität und die Pilzsporen, die Überträger der Infektion, sind zudem äußerst resistent. Die heutige Gesellschaft ist erregerfreundlicher denn je. Höhere Lebenserwartung, Zunahme von Grunderkrankungen und das Treiben von Sport – Stichwort Schweiß – tragen dazu bei, dass Pilzinfektionen zunehmen – im Windschatten von Corona vor allem Fuß- und Nagelpilz aufgrund der häuslichen Enge. Die Familie ist häufig Infektionsquelle. 

Eine Pilzinfektion ist ein Thema, worüber man eher ungern spricht. Holen sich Betroffene dementsprechend spät Hilfe?

Ja, tatsächlich sind Pilzinfektionen eher ein Tabuthema. Dabei gehören sie zu den häufigsten Erkrankungen. Es kann wirklich jeden treffen. Insbesondere in Zeiten der Pandemie vermeiden erst recht viele Menschen den Besuch einer Apotheke, die bei Verdacht auf einen Nagel- oder Fußpilz übrigens eine sehr gute erste Anlaufstelle ist, oder eines Arztes aus Angst, sich mit dem Coronavirus anzustecken.

Was hat das für Folgen?

Pilze kommen, um zu bleiben. Heißt: Sie verschwinden nicht von allein. Zwar sind Hautmykosen nicht gefährlich im Sinne von lebensbedrohlich, da die Erreger nie nach innen und langsam wachsen – also bitte keine unnötige Angst vor Pilzen. Allerdings ist ein unbehandelter Fuß- oder Nagelpilz ansteckend. Eine Tatsache, die gerade einmal 25 Prozent der Bevölkerung bewusst ist. Zudem kann er sich ausbreiten, von einem zum nächsten Nagel, vom Fuß aufsteigend auf andere Körperareale bis ins Gesicht. Es handelt sich also nicht, wie oftmals fälschlich angenommen, um ein rein kosmetisches Problem. 

Je früher man also etwas dagegen unternimmt, desto besser ... 

Richtig. Die gute Nachricht ist: Jede Mykose ist heilbar. Wichtig ist eine klare Diagnose, denn hinter der Hälfte aller Nagelveränderungen steckt etwas anderes, etwa Ekzeme. Die diagnostischen Möglichkeiten zum Nachweis und zur Erregerbestimmung bei Hautbeteiligung sind heute sehr viel besser: Uns stehen zusätzlich zur klassischen Diagnostik, sprich Mikroskopie und Anlegen einer Pilzkultur, schnelle PCR-Tests, wie man sie von Corona kennt, zur Verfügung. 

Falls die Diagnose Nagelpilz lautet, worauf kommt es bei der Behandlung an?

Die konsequente Lokalbehandlung mit Nagellacken aus der Apotheke ist immer Pflicht. Ist der Nagel verdickt, sollte das befallene Nagelabteil vorab abgelöst werden, am besten mit einer Harnstoffsalbe. Bei großflächiger Infektion erfolgt zusätzlich die Einnahme von Medikamenten in Tablettenform, heute nur noch einmal pro Woche, um den Pilz quasi in die Zange zu nehmen. Die Therapie ist oft langwierig, muss aber durchgezogen werden, bis der Nagel komplett gesund herausgewachsen ist, also bis zur letzten Spore.

Wussten Sie schon, dass ...

... Pilzerreger warme Feuchte gar nicht mögen? Ihr bevorzugtes Milieu ist feucht-kalt. Kalte Füße, wie sie häufig Diabetiker, Raucher oder ältere Menschen haben, erhöhen somit das Risiko für einen Befall.

... Nagelpilz nicht über Nacht entsteht? Da Pilzerreger sehr langsam wachsen, zeigen sich bestimmte Merkmale wie Verfärbungen und Brüchigkeit der Nägel erst nach und nach.

... es Menschen gibt, die regelrecht Angst vor Pilzen haben? Die sogenannte Mycophobie bezeichnet die krankhaft übersteigerte Angst vor Pilzen, Pilzinfektionen und -erkrankungen.

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